Sozialdemokrat, Grüner, Liberaler oder Christdemokrat – Ist „Bürofaschist“ eine Beleidigung?

Das Betiteln anderer Wikipedianer als Nazi ist nicht ungewöhnliches. Es kommt täglich vor und kann jeden von links (etwa ab „grün“) bis rechts („schwarz“) und natürlich extrem rechts (braun) treffen.

Nazivergleiche und ähnliche Beschimpfungen gegen Autoren mit grünen, sozialdemokratischen, liberalen oder christdemokratischen politischen Hintergrund  finden seit Anbeginn der Wikipedia Verwendung. Der inflationäre Gebrauch der selbigen wird immer verteidigt, ab und an sanktioniert und danach in ähnlicher Form gegen die gleiche Person(en) immer wieder hervor gekramt.Oftmals sind die inflationären Nazibeleidigungen in feinster Seide verpackt, damit man sich nach einer sogenannten Vandalismusmeldung keine Sperre einhandelt. Sollte dies doch der Fall sein, bietet die darauf meist folgende sogenannte Sperrprüfung ein weiteres Portal in der dann die Schützengrabentruppen Wikipedistans darüber diskutieren, ob „Bürofaschist“ (o.a. Beleidigungen) überhaupt eine Beleidigung sei oder gar eine statthafte Beschreibung ist.

Auch aktuell ergießen sich wieder einmal  Kubikmeter an Diskussionen auf den Funktionsseiten der Wikipedia, ob das Betiteln von Menschen als „Bürofaschisten“ eine Beleidigung sei. Interessant sind dabei die personellen Verknüpfungen der „Bürofaschist“ schreienden Fraktion mit jener Gruppe, die sich seinerzeit mit antisemitischen Äußerungen gegen einen christsozialen jüdischen Wikipedia-autor hervor tat. (siehe auch „Wikipedia Inside – Antisemitische Äußerungen [immer noch] kein Sperrgrund?“ und „Wikipedia Community-Projektbudget-Vertreter – Antisemitische Vergleiche zwischen Juden und pädophilen Triebtätern„)

Antifaschistische Peinlichkeiten

Schon Jahre lang, seit 4. Dezember 2008 kann sich ausgerechnet im Wikipedia-Artikel „Antifaschismus“ eine an sich unglaubliche Peinlichkeit halten.

Als Beschreibung eines Bildes aus dem Bundesarchiv hielt sich über diese langen drei Jahre der Text „Berlin-Neukölln, Sommer 1945: Plakat, das die Ermordung von 4,5 Millionen „Antifaschisten“ in Auschwitz anprangert„. Sowohl den Antifaschisten seinerzeit als auch den Bearbeitern des Wikipedia-Artikels heutzutage schienen die Tatsache außer Acht zu lassen, dass es in Auschwitz zum einen zu bis zu 1,5 Millionen Opfern kam und dass diese sich nicht nur aus Antifaschisten zusammensetzten sonder zu einem großen Teil aus Juden, Zigeuner, Polen sowjetische Kriegsgefangene sowie Opfer aus anderen europäischen Ländern. Hinweise auf diesen Sachverhalt werden konsequent ignoriert. Kommentierungen des Bildes werden nur halbherzig umgesetzt.

Berlin-Neukölln im Sommer 1945, Anti-NS-Transparent (Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-2005-0901-517 / CC-BY-SA)

Berlin-Neukölln im Sommer 1945, Anti-NS-Transparent (Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-2005-0901-517 / CC-BY-SA)

 

Kleine, aber feine Unterschiede – Wie in der DDR der Rechtsextremismus totgeschwiegen wurde und in der Wikipedia das Totschweigen beschönigt wird


Rechtsextremismus existierte in der DDR per Verfassung nicht. Artikel 6 der Verfassung der DDR besagte:

„Die Deutsche Demokratische Republik hat getreu den Interessen des Volkes und den internationalen Verpflichtungen auf ihrem Gebiet den deutschen Militarismus und Nazismus ausgerottet.“ (Artikel 6 der DDR-Verfassung vom 7. Oktober 1974)

Stimmte natürlich nicht.

Flammarions Holzstich

Rechteextremismus existiert - Auch in der DDR war die Erde nicht flach sondern eine Kugel.

Nachweisliche Straftaten von Rechtsextremisten traten oftmals im Jugendbereich sowie in den bewaffneten Organen der DDR auf.  „Das Thema wurde alsbald tabuisiert, das rechtsextreme Potential staatlich verheimlicht“  heißt es erst noch richtiger weise in der Wikipedia. Doch gleich im nächsten Satz wird dann die Arbeit der Gerichte als ein offener Kampf gegen Rechtsextremismus dargestellt. „Dennoch stieg die Zahl der Strafprozesse gegen Neonazis an“. So so, „Dennoch“! Gerichte sprachen also offen den Rechtsextremismus in der DDR an und nannten ihn beim Namen. Verurteilen eventuell sogar wegen rechtsextremistischer Tätigkeiten ?

Als Belege für diese Theorie nennt die Wikipedia die Fälle der Neonazis Arnulf Priem und Mario Meurer. Beide wurden aber in der DDR aber wegen sogenannter „staatsfeindlicher Propaganda“ verurteilt. Von einer Verurteilung wegen Rechtsextremismus ist nicht die Rede. Wie sollten auch in der DDR Gesetze gegen und Verurteilungen wegen Rechtsextremismus bestehen, wenn doch die Verfassung Nazismus auf dem Boden der DDR für „ausgerottet“ erklärt.

Die Verheimlichung des Rechtsextremismus setzte sich auch in den Urteilen der Justiz fort. Von einem offenen Umgang der Justiz der DDR mit dem Thema Rechtsextremismus, wie in der Wikipedia beschrieben, kann nicht die Rede sein.

Nun könnte man denken, dass Fehler in der Wikipedia schnell geändert werden können. Offensichtlich ist aber die beschönigende Darstellung des gerichtlichen Umgangs mit dem Rechtsextremismus in der DDR die gewünschte Darstellung. Nach kurzem hin und her im Artikel wurde der Artikel trotz klarer Erläuterung des Sachverhaltes administrativ in der beschönigenden Version mit dem Kommentar „unerwünschte Beiträge“ gesperrt.