Neusprech in der Wikipedia – Zensur soll bald Bearbeitungsfilter heißen

Die Wikipedia scheint sich zu schämen. Der sogenannte „Missbrauchsfilter„, benannt nach der MediaWiki Erweiterung Abuse-Filter und der als Instrument der Zensur für Administratoren dient, wird aller Voraussicht nach bald den wesentlich harmloseren Namen Bearbeitungsfilter bekommen.

Wissen für alle Nationen - Quelle Wikimedia Commons

Wissen für alle Nationen – Quelle Wikimedia Commons

Dies scheint zu mindestens der Trend der aktuellen Abstimmung innerhalb der Wikipedia zu sein. Eine übergroße Mehrheit spricht sich für die Umbenennung aus. Ziel der Umbenennung ist es den unbedarften Benutzer nicht mit den Zielen und Einsatzgebieten der Wikipedia-Erweiterung zu konfrontieren und zu erschrecken. Die übergroße Mehrheit der Benutzer mache nur einfache unbedeutende Fehler und solle nicht in die „Ecke mit Trollen und Vandalen gestellt“ werden. Einer der Befürworter der Abstimmung, Harald Krichel alias Seewolf, ehemals tätig im Vorstand von Wikimedia Deutschland e.V. meint dazu: „Hauptsache, dass diskriminierende „Missbrauchs-“ kommt raus„.

Harmlose Bearbeitungen – Aussperrung ganzer Netzbereiche

Screenshot Meldung des Missbrauchsfilters der Wikipedia: Ganze Netzbereiche werden in der Wikipedia auf einzelnen Seiten von der Mitarbeit ausgeschlossen.

Was mit dem Filter möglich ist und wofür er eingesetzt wird wird, erfährt der Durchschnittsbenutzer nicht.

Der Filter ermöglicht es, ganze IP-Bereiche von der Bearbeitung einzelner Seiten oder ganzer Seitengruppen auszuschließen.

Der Screenshot rechts zeigt die Meldung „Deinem Netzbereich wurde wegen anhaltender regelwidriger Bearbeitungen der Schreibzugriff auf diese Seite längerfristig entzogen. “ der Wikipedia nach Eingabe des Satzes „Ich schätze am Diderot-Club die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung. “ als nicht angemeldeter Benutzer mit frischer IP auf der Seite des sogenannten Diderot-Clubs, einer Benutzerseite in der deutschen Wikipedia. Auf dieser Seite, die sich die freie Meinungsäußerung aufs Blatt geschrieben hat, werden ganze IP-Bereiche blockiert. Weitere Einsatzgebiete des Filterns betreffen generell alle Benutzerseiten, Wikipedia-Funktionsseiten oder einzelne Artikelseiten.

Anonymität ? – Zuordnung von Netzbereichen und Benutzer

Die Filterung nach Netzbereichen bietet dem geneigtem Administrator eine weitere Möglichkeit. Auch die IP-Adressen angemeldeter Benutzer können dem Netz des Netzwerkbereichsfilters nicht entwischen. Ist einem Administrator der Netzbereich eines Benutzers bekannt, hat er über die Hinweise aus der Filterung die Möglichkeit auch User, die einen neuen, anderen Benutzernamen wählten, dem alten Benutzernamen zuzuordnen. Viele dieser mitgeschnittenen Informationen sind nur Administratoren zugänglich. Die von der Wikipedia explizit garantierte Anonymität wird so teilweise unterlaufen. Informationen über IP-Adressen (hier das Subnetz) angemeldeter Benutzer, die eigentlich nur einer Handvoll spezieller Administratoren zugänglich sein sollten, den sogenannten Checkusern werden so den ca. 300 Administratoren und damit weiteren Kreisen zugänglich.

Transparenz

Von den ca. 120 existierenden Filtern (Stand 6.2.2012) sind ca. 75 Filter privater Natur. Bei den öffentlichen Filtern können auch „normale“ Benutzer die Ergebnisse der Filterung einsehen. Die Einsicht in die Logdateien der sogenannten „privaten“ Filter, die 2/3 aller Filter ausmachen, ist Administratoren vorbehalten.

Angesichts der Tatsache, dass die Umbenennung des Missbrauchsfilters in Bearbeitungsfilter damit begründet wird, dass die Mehrzahl der Filter Fehler wie dem „ungewollten Einfügen von Wikisysntax“ betreffen („Bei vielen der aktivierten Filter geht es jedoch nicht um die Verhinderung von Missbrauch, sondern vielmehr um auf Fehler aufmerksam zu machen und diese zu protokollieren. Ein Beispiel dafür ist Spezial:Missbrauchsfilter/6 [öffentlicher Filter, der Verf.] (ungewolltes Einfügen von Wikisyntax aus der Zeichenleiste)“, ist dies ein merkwürdige intransparenter Umgang mit solcherlei Marginalien.

 

Mailingliste des Wikipedia-Vereins Wikimedia Deutschland e. V. band sogenannte Web-Wanzen ein

Am 7. Oktober 2011stellte sich heraus das in E-Mails des Vereins des Wikimedia Deutschland e. V. sogenannte Web-Wanzen, auch Zählpixel genannt, eingesetzt wurden.

Zählpixel sind kleine Grafiken die eine Logdatei-Aufzeichnung und eine Logdateianalyse ermöglichen, die für statistische Auswertungen verwendet werden können. Zählpixel ermöglichen das Aufzeichnen personenbezogener Daten und sind entsprechend datenschutzrechtlich umstritten. Sie ermögliche Bewegungsprofile, die Ermittlung von Informationen über die IP-Adressen der Empfänger mitsamt der damit möglichen Verortung mithilfe von Geotargeting. Die vom Verein verwendete Software ist laut Beiträgen auf der Mailingliste CiviCRM. Die Software ermöglicht unter anderem das Personalisieren von Nachrichten und die die Überprüfung, wann ein Empfänger eine Nachricht öffnet. Zu finden war der Zählpixel im Quelltext von E-Mails des Vereins:

<img src="https://crm.wikimedia.de/civicrm/extern/open.php?
 q=XXXXX" width='1' height='1' alt='' border='0'>

wobei XXXXX vermutlich eine persönliche Kennziffer darstellt.

Das Einbinden des Zählpixels kann vor dem Versand unterbunden werden. Laut Wikimedia Deutschland geschah dies wohl nicht. Ein Mitarbeiter des Vereins schreibt: „CiviCRM scheint das per Default so zu machen. Es gibt eine standardmäßig aktive Option, die man vor dem Versand abwählen muss, um dieses Verhalten abzustellen. Ich suche gerade nach einer Möglichkeit, das grundsätzlich auszuschalten, habe aber bislang noch keine gefunden.

Man darf gespannt sein, ob die Web-Wanze mittlerweile „debugt“ wurde.