Missbrauchsfilter – Eine Möglichkeit für Administratoren den Datenschutz in der Wikipedia zu umgehen

Die Einsicht von IP Adressen ist per Gesetz Wikipedistans nur einem eng begrenzten Personenkreis erlaubt: den sogenannten Checkusern. Mittels des sogenannten Missbrauchsfilters kann die IP beliebiger angemeldeter Benutzer eingesehen werden.

Die sogenannte „Checkuser“-Funktion der Wikipedia ist mit nicht unerheblichen Datenschutzeingriffen verbunden. Die von einem Benutzer verwendeten IP-Adressen sollen daher nur für fünf speziell für diesen Zweck gewählte Checkuser-Beauftragte in der Wikipedia einsehbar sein. Dies ist auch noch explizit auf der Datenschutzseite der deutschen Wikipedia garantiert.

Sollten sie. Wenig bekannt ist, dass einigen hundert Administratoren über den sogenannten Missbrauchsfilter ebenfalls die Möglichkeit geboten wird, die IP-Adressen angemeldeter Benutzer einzusehen.

Die Details eines Filtereintrags sind in den Standardeinstellungen nur für Administratoren einsehbar. Sie beinhalten die vorgenommene Aktion, den Benutzernamen und einen Zeitstempel. Darüber hinaus wird in den Details eines Vermerks im Abschnitt „Private Daten“ die  IP-Adresse des Benutzers ebenfalls quasi-öffentlich gemacht.

Ein Beitrag auf der Seite für  Checkuseranträge deutet darauf hin, dass diese Möglichkeit den Datenschutz zu umgehen in der Wikipedia auch tatsächlich benutzt wird. Ein Benutzer schrieb dort:

„Im übrigen ist durch die Difflinks der Mißbrauchsfilter […], der leider seit Neustem nur von Adminitratoren eingesehen werden kann (und was ich leider an dieser Stelle aus Transparentgründen kritisieren muß), eindeutig hervorgegangen, dass Du und [Benutzername gelöscht] identisch seid.“

Missbrauchsfilter Details

Das Missbrauchsfilter Logbuch zeigt eine Liste aller Aktionen, die durch einen Filter aufgefangen wurden. Die für Administratoren einsehbaren Details legen private Daten offen

Nichts sehen, nichts hören, nichts reden – Affendemokratie in der Wikipedia

Am 26. März 2012 endete in der Wikipedia die Umfrage „Benennung des Missbrauchsfilters“. Erstaunlich an dieser Umfrage ist, dass nahezu die gesamte Anzahl der Stimmberechtigten keinen Einblick in Grundlagen des Abstimmungsthemas hatte.

 

Nichts sehen

Von den ca. 120 existierenden Filtern (Stand 6.2.2012) sind ca.. 75 Filter privater Natur. Bei den öffentlichen Filtern können auch “normale” Benutzer die Ergebnisse der Filterung einsehen. Die Einsicht in die Einstellungen und Logdateien der sogenannten “privaten” Filter, die 2/3 aller Filter ausmachen, ist Administratoren vorbehalten. In der Umfrage existiert unwidersprochen der Satz „Bei vielen der aktivierten Filter geht es jedoch nicht um die Verhinderung von Missbrauch, sondern vielmehr um auf Fehler aufmerksam zu machen und diese zu protokollieren.“ – beispielsweise „ungewolltes Einfügen von Wikisyntax aus der Zeichenleiste„. Es ist verwunderlich, aus welchem Grunde die Konfiguration für solche einfachen Fehlerhinweise in 2/3 der Filter nicht einsehbar sind.

Nichts hören

Die Umfrage selber unterliegt ebenfalls dem sogenannten Missbrauchsfilter. Die Bearbeitung ist entsprechend eingeschränkt. Kritiker des Missbrauchsfilter können so von der Bearbeitung der Diskussionsseite ferngehalten werden. Hören will man auch keine kritischen Beiträge auf der Seite. Der Vorschlag den Missbrauchsfilter statt in das unter den Teppich kehrende „Bearbeitungsfilter“ in „Großer Bruder“ umzubenennen wurde so auch prompt durch einen Administrator gelöscht. Auch die Aufarbeitung bereits vorliegender Diskussionen und Hinweise erfolgte nicht. Es existiert in der Umfrage so gut wie kein Link auf weiterführende Seiten.

Nichts reden

Das der Missbrauchsfilter private, nicht öffentlich kontrollierbare  Filter enthält, ist bekannt. Man weiß auch, dass durch jeweils einen Netzbereichsfilter im Rahmen des Missbrauchsfilters im Standard jeweils ca. 65.000 Internetnutzer von der Mitarbeit an der Wikipedia ausgesperrt werden können. Zwar äußern vereinzelte Wikipedia User Kritik. Tiefer gehend diskutiert werden diese Zustände jedoch nicht. Auch stellen die an der Umfrage teilnehmenden Administratoren wie z.B. Harald Krichel alias User Seewolf, die zu den Hauptkonsumenten der privaten Filter gehören, nicht deutlich heraus, wer, wie, wo und vor allem was durch private Filter gesperrt wird.

 

Vorzensur im Wikipedia-Artikel „Zensur in der Bundesrepublik Deutschland“ durch Netzbereichs- und Inhaltsfilter

Für die Diskussionsseite des Artikels Zensur in der Bundesrepublik Deutschland wurde seitens der Wikipedia eine Vorzensur eingerichtet. Die Vorzensur betrifft ganze Netzbereiche und enthält einen unspezifischen Inhaltsfilter.

 

Im Artikel „Zensur in der Bundesrepublik Deutschland“ gefilterter Text.

Folgende harmlose Bearbeitung ist auf der Diskussionsseite des Artikels durch den Missbrauchsfilter nicht erlaubt (siehe auch Screenshots). Das Beispiel zeigt, wie unspezifisch tausende von möglichen Bearbeitern ausgerechnet in einem Artikel, der Zensur zum Thema hat, durch eine dubiose Vorzensur von der Mitarbeit am „freien Wissen der Welt“ ausgeschlossen werden.

==Lemma-Umbenennung: "Vorzensur in der Bundesrepublik Deutschland"
entsprechend [[Wikipedia:Lemma]]==

Der Artikel hat im wesentlichen nur das Thema Vorzensur zum Thema.
Gemäß [[Wikipedia:Lemma#Artikeltitel_und_Klammerzusatz]] sollte
"''als Artikeltitel (Lemma) diejenige Bezeichnung verwendet werden,
die für den im Artikel behandelten Sachverhalt im deutschen Sprachraum
am gebräuchlichsten ist"'' Für die Thematik Vorzensur
ist dies "Vorzensur". --~~~~

Netzbereichsfilter

Folgende Screenshots dokumentieren diesen Sachverhalt. Zum einen ist das Beispiel eines Netzbereichsfilters zu erkennen, bei dem eine sogenannte IP-Range von der Bearbeitung ausgeschlossen wurde. In diesem Fall dürfte die IP-Range 84.137.* als Filter angegeben sein und würde maximal maximal 65534 Internetteilnehmer abdecken. Eine gröbere Filterung wäre zu unspezifisch und eine detailliertere Filterung zu durchlässig. Der Nebeneffekt, dass bei einer vandalierenden Zieladresse weitere maximal 65534-1 Teilnehmer der Vorzensur unterliegen, scheint als Kollateralschaden hingenommen zu werden.

Netzbereichssperren im Artikel Zensur in der Bundesrepublik Deutschland in der deutschen Wikipedia

Inhaltsfilter

Die zweite Art von Filterung scheint ein Textfilter zu sein. Der selbige Text wurde nach Anmeldung unter einem wahllos gewählten neuen Accountnamen einem gesperrten Benutzer zugeordnet. Worin aber genau der Zusammenhang zwischen dem obigen Text und dem Account liegen kann lediglich vermutet werden. Inhaltsfilter in der deutschen Wikipedia sind größtenteils privater Natur und sind nicht einsehbar.

Inhaltsfilter im Artikel „Zensur in der Bundesrepublik Deutschland“ in der deutschen Wikipedia

 

 

Neusprech in der Wikipedia – Zensur soll bald Bearbeitungsfilter heißen

Die Wikipedia scheint sich zu schämen. Der sogenannte „Missbrauchsfilter„, benannt nach der MediaWiki Erweiterung Abuse-Filter und der als Instrument der Zensur für Administratoren dient, wird aller Voraussicht nach bald den wesentlich harmloseren Namen Bearbeitungsfilter bekommen.

Wissen für alle Nationen - Quelle Wikimedia Commons

Wissen für alle Nationen – Quelle Wikimedia Commons

Dies scheint zu mindestens der Trend der aktuellen Abstimmung innerhalb der Wikipedia zu sein. Eine übergroße Mehrheit spricht sich für die Umbenennung aus. Ziel der Umbenennung ist es den unbedarften Benutzer nicht mit den Zielen und Einsatzgebieten der Wikipedia-Erweiterung zu konfrontieren und zu erschrecken. Die übergroße Mehrheit der Benutzer mache nur einfache unbedeutende Fehler und solle nicht in die „Ecke mit Trollen und Vandalen gestellt“ werden. Einer der Befürworter der Abstimmung, Harald Krichel alias Seewolf, ehemals tätig im Vorstand von Wikimedia Deutschland e.V. meint dazu: „Hauptsache, dass diskriminierende „Missbrauchs-“ kommt raus„.

Harmlose Bearbeitungen – Aussperrung ganzer Netzbereiche

Screenshot Meldung des Missbrauchsfilters der Wikipedia: Ganze Netzbereiche werden in der Wikipedia auf einzelnen Seiten von der Mitarbeit ausgeschlossen.

Was mit dem Filter möglich ist und wofür er eingesetzt wird wird, erfährt der Durchschnittsbenutzer nicht.

Der Filter ermöglicht es, ganze IP-Bereiche von der Bearbeitung einzelner Seiten oder ganzer Seitengruppen auszuschließen.

Der Screenshot rechts zeigt die Meldung „Deinem Netzbereich wurde wegen anhaltender regelwidriger Bearbeitungen der Schreibzugriff auf diese Seite längerfristig entzogen. “ der Wikipedia nach Eingabe des Satzes „Ich schätze am Diderot-Club die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung. “ als nicht angemeldeter Benutzer mit frischer IP auf der Seite des sogenannten Diderot-Clubs, einer Benutzerseite in der deutschen Wikipedia. Auf dieser Seite, die sich die freie Meinungsäußerung aufs Blatt geschrieben hat, werden ganze IP-Bereiche blockiert. Weitere Einsatzgebiete des Filterns betreffen generell alle Benutzerseiten, Wikipedia-Funktionsseiten oder einzelne Artikelseiten.

Anonymität ? – Zuordnung von Netzbereichen und Benutzer

Die Filterung nach Netzbereichen bietet dem geneigtem Administrator eine weitere Möglichkeit. Auch die IP-Adressen angemeldeter Benutzer können dem Netz des Netzwerkbereichsfilters nicht entwischen. Ist einem Administrator der Netzbereich eines Benutzers bekannt, hat er über die Hinweise aus der Filterung die Möglichkeit auch User, die einen neuen, anderen Benutzernamen wählten, dem alten Benutzernamen zuzuordnen. Viele dieser mitgeschnittenen Informationen sind nur Administratoren zugänglich. Die von der Wikipedia explizit garantierte Anonymität wird so teilweise unterlaufen. Informationen über IP-Adressen (hier das Subnetz) angemeldeter Benutzer, die eigentlich nur einer Handvoll spezieller Administratoren zugänglich sein sollten, den sogenannten Checkusern werden so den ca. 300 Administratoren und damit weiteren Kreisen zugänglich.

Transparenz

Von den ca. 120 existierenden Filtern (Stand 6.2.2012) sind ca. 75 Filter privater Natur. Bei den öffentlichen Filtern können auch „normale“ Benutzer die Ergebnisse der Filterung einsehen. Die Einsicht in die Logdateien der sogenannten „privaten“ Filter, die 2/3 aller Filter ausmachen, ist Administratoren vorbehalten.

Angesichts der Tatsache, dass die Umbenennung des Missbrauchsfilters in Bearbeitungsfilter damit begründet wird, dass die Mehrzahl der Filter Fehler wie dem „ungewollten Einfügen von Wikisysntax“ betreffen („Bei vielen der aktivierten Filter geht es jedoch nicht um die Verhinderung von Missbrauch, sondern vielmehr um auf Fehler aufmerksam zu machen und diese zu protokollieren. Ein Beispiel dafür ist Spezial:Missbrauchsfilter/6 [öffentlicher Filter, der Verf.] (ungewolltes Einfügen von Wikisyntax aus der Zeichenleiste)“, ist dies ein merkwürdige intransparenter Umgang mit solcherlei Marginalien.